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Macht die Digitalisierung die Welt wirklich besser?

An der digitalen Transformation kommt niemand vorbei. Zurecht werden die Veränderungen, die da kommen, als Revolution bezeichnet. Doch wird die Welt damit wirklich besser? Antworten aus einer persönlichen Perspektive.

Zuerst steht natürlich die Frage im Raum: wie lässt sich beurteilen, ob durch ein Megatrend die Welt besser oder schlechter wird? Es bietet sich an, das Konzept der Nachhaltigkeit heranzuziehen. Nachhaltig ist eine Entwicklung per Definition, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen. Es gilt als unbestritten, dass eine nachhaltige Entwicklung Kriterien aus allen drei Dimensionen WirtschaftUmwelt und Gesellschaft genügen muss. Ich habe mich in meinen Gedanken an diesem Konzept orientiert und den Text entlang dieser drei Dimensionen strukturiert.

Wirtschaft: ein Paradigmawechsel!

Uber hat das Geschäftsmodell der Taxi-Branche in kurzer Zeit komplett auf den Kopf gestellt. Nach der Vision von Uber bestimmen weltweit bald autonom fahrende Elektro-Taxis den Markt, welche von Kunden von überall via App bestellt werden. Und das zu unschlagbar günstigem Preis.

Ähnliche Effekte erreichen aktuell viele andere Branchen. Uberisierung heisst das Phänomen und funktioniert nach folgendem Prinzip: dank neuen Technologien, Big Data und digitalen Plattformen werden Kundenbedürfnisse besser verstanden und die Kunden auf neuen Kanälen mit neuen Angeboten erreicht. Damit wird ihnen ein Mehrwert geboten, gegen welchen etablierte Anbieter kaum eine Chance haben. Somit werden viele heutige Geschäftsmodelle zerstört, wie es Jeremy Rifkin im lesenswerten Interview mit der Handelszeitung auf den Punkt bringt. 

Nun also, die Wirtschaft verändert sich in der 4. industriellen Revolution – und es gibt Gewinner und Verlierer. Als progressiver Mensch sehe ich hier im Grundsatz zwei grosse Chancen.

Green Economy mit neuen Technologien

Da sind – als erste Chance – die Clean Technologies, die stark von digitalen Innovationen getrieben sind. Cleantech beschreibt per Definition Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen, welche die operationale Leistung, Produktivität oder die Effizienz steigern und gleichzeitig Kosten, natürliche Ressourcen und den Energieverbrauch reduzieren. Cleantech schafft es in einer Green Economy also, sowohl natürliche Ressourcen zu sparen und CO2-Emissionen zu reduzieren, als auch die wirtschaftliche Profitabilität zu steigern und neue, soziale Arbeitsplätze zu ermöglichen. 

Energiesystem der Zukunft

Als zweite Chance möchte ich die Digitalisierung des Energiesystems herausheben. Durch die Digitalisierung werden die Stromnetze geöffnet und damit die Grundlage für eine dezentrale Energieversorgung gelegt. Dezentral heisst, dass in Zukunft nicht mehr wenige Grosskraftwerke (z.B. AKW) den Strom zentral produzieren, welcher von da auf Haushalte und Gewerbe verteilt wird, sondern dass der Storm überall direkt in den Immobilien selbst aus erneuerbarer Energie (z.B. Solarstrom) gewonnen und genutzt wird. Dieser Strom wird dann dezentral in Batterien gespeichert und Unterschiede in Produktion und Verbrauch über das Stromnetz dynamisch ausgeglichen. Zur Regulierung dieses neuen, dezentralen Energiesystems braucht es neue Informationssysteme, welche durch die Digitalisierung erst ermöglicht werden.

Umwelt: grosses Potenzial ohne Pauschalrezept

Die alten Mythen sind widerlegt: Dank digitaler Kommunikation ist der Papierverbrauch nicht gesunken und Video-Konferenzen haben persönliche Treffen nicht weniger wichtig gemacht. Immerhin: Seit wir bei uns im Büro der IEU Kommunikation AG im Sitzungsraum einen grossen Screen haben, besprechen wir die meisten Entwürfe gleich am Bildschirm und wir drucken effektiv weniger aus.

Das Potential der Digitalisierung für die Umwelt ist im Prinzip sehr gross: Digitale Methoden können mit neuen Technologien die Energieeffizienz im Gebäudepark steigern und die Digitalisierung der Bauwirtschaft (Schlagwort: Building Information Modeling, kurz BIM) bringt grosse Chancen mit sich. Dazu findet Ende Oktober 2016 in Zürich der erste Schweizer BIM Kongress statt. 

Ich glaube, bezüglich dem Nutzen für die Umwelt dürfen wir uns aber nichts vormachen: Die Digitalisierung bietet uns neue Tools, die dabei helfen, uns zu organisieren und Prozesse effizienter zu gestalten. Damit entstehen Chancen für das Einsparen von Ressourcen. Ein Pauschalrezept sind diese digitalen Tools aber nicht, da am Ende des Tages nur relevant ist, ob wir netto wirklich Ressourcen einsparen. Und davon sind wir heute noch weit entfernt.

Gesellschaft: die digitale Vollvernetzung!

Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft fundamental. Dank sozialen Medien sind wir heute vollständig miteinander vernetzt. Die Kommunikation ist unabhängig von Ort, Zeit und Arbeitsplatz, super einfach und günstig. Neue Plattformen erleichtern es uns, Dinge zu Teilen und gemeinsam zu nutzen.

Ich sehe in dieser Vollvernetzung grosse Chancen und entdecke täglich neue Ideen, Angebote und Plattformen. Ich glaube aber, dass sich nur wenige der neuen Plattformen halten können. Meistens sind es doch die simplen Dinge, die gewinnen. Wie zum Beispiel bei uns im Hunziker-Areal der Genossenschaft Mehr als Wohnen die WhatsApp Gruppe Dorfplatz, wo wichtige Informationen ausgetauscht werden und bei einem Problem unkompliziert Hilfe gefunden wird. Oder die Pumpipumpe-Sticker, die auf den Briefkästen anzeigen, wer was zu teilen bereit ist. Ganz analog! Die Sticker lassen sich aber bequem online bestellen.

Soziale Konflikte zwischen analoger und digitaler Welt

Was die Gesellschaft anbelangt, gibt es auch einige kritische Aspekte. Als ersten Punkt möchte ich die Herausforderung nennen, auch tiefer qualifizierte und ältere Arbeitskräfte nicht abzuhängen und für die digitalen Arbeitsprozesse fit zu machen. Schaffen wir das nicht, laufen wir Gefahr, dass sich die Welt in zwei teilt: in eine alte analoge und in eine neue digitale. Ein Szenario, mit grossem sozialem Konfliktpotential. Es ist also zentral, alle Mitarbeiter in digitalen Methoden laufend weiterzubilden. Ich empfehle zu diesem Thema das Interview mit dem MIT-Professor Erik Brynjolfsson in der NZZ am Sonntag.

Einsam in Filterblasen

Als zweiten kritischen Aspekt möchte ich das Risiko digitaler Filterblasen erwähnen, in welchen sich jede und jeder von uns immer mehr bewegt. Diese Filterblasen entstehen, da Social Media (z.B. Facebook) mit unserem Medienverhalten Geld verdienen wollen. Und zwar mit Werbung, indem unsere Klicks auf Dinge, die uns interessieren, an Werbekunden verkauft werden. Dazu beobachten diese Plattformen akribisch, für was wir uns interessieren und für was wir uns begeistern lassen. Weil wir eher auf solche Dinge klicken, anstatt auf alles, was uns nicht in den Kram passt, zeigt uns Facebook in seiner Timeline am Ende des Tages nur noch die Seiten und Videos an, welche genau unserer Meinung entsprechen. Alles andere wird herausgefiltert. Während Mark Zuckerberg damit ein Vermögen verdient, müssen wir Medienkonsumenten uns nicht mehr mit anderen Meinungen auseinandersetzen und verblöden – einsam und isoliert – in der ganz persönlichen Filterblase. Ich sehe hier ein grosses Risiko für unsere (digitale) Demokratie.

Fazit?

Ich masse mir nicht an, hier ein Fazit zu ziehen und belasse es bei dieser Auslegeordnung. Was genau auf uns zukommt, weiss niemand. Aber bei allen Risiken: Mich fasziniert dieser positive Spirit aus dem Silicon Valley, der die Welt zu einem besseren Ort machen will. Leben wir nicht in einer unglaublich spannenden Zeit?